Die Strategieentwicklung und die Strategiedefinition beschreiben das grundsätzliche Vorgehen, auch in Bezug auf strategisches Marketing bzw. die Marketingstrategie. An dieser Stelle werden in kurzer Darstellung einige bekannte Marketingstrategien aufgezeigt. Dabei wird auch der Unterschied zwischen den Konzepten von J. Becker und M. Porter erklärt.
Eine sehr gute Übersicht der Marketingstrategien stellt J. Becker in seinem bekannten Werk „Marketingkonzeption“ dar.
Marketingstrategie Raster nach J. Becker, S. 148, 2018
Marketingstrategie – Ebenen | Strategische Basisoptionen |
1. Markfeldstrategien | Gegenwärtige oder neue Produkte in gegenwärtigen oder neuen Märkten |
2. Marktstimulierungsstrategien | Qualitätsfokus (Präferenzbildung, Markenstrategie) oder Preiswettbewerb (Discountstrategie) |
3. Marktsegmentierungsstrategie | Massenmarkt, Segmentierungsmarketing, Kunden-individualisierte Marketingstrategie Konzepte |
4. Marktarealstrategie | Bestimmung des Marktraumes |
5. Wettbewerbsstrategien nach Porter | Erarbeitung von Wettbewerbsvorteilen (Kostenführerschaft, Differenzierung, Fokus auf eine Marktnische) * Überschneidung mit Stimulierungs- und Segmentierungsstrategie nach J. Becker. J. Becker nennt jedoch noch weitere Strategieoptionen, die zwischen den beiden Extremen liegen in einer Preis-Qualitäts-Matrix. |
Eine Marketingstrategie kann auch (sinnvoll) mit einer anderen Marketingstrategie kombiniert werden, vor allem die Marketingstrategien auf der gleichen Strategieebene.
Die Marketingstrategie-Ebenen sollten grundsätzlich der Reihenfolge nach bestimmt werden. Das bedeutet, zuerst
- Bestimmung der Marktfeldstrategie, z.B. Produktentwicklungsstrategie
- Anschließend Bestimmung der Marktstimulierungsstrategie, z.B. Präferenzstrategie
- Anschließend Bestimmung der Marktparzellierungsstrategie bzw. Marktsegmentierungsstrategie
- Anschließend Bestimmung der Marktarealstrategie (Bestimmung des Marktraumes), z.B. eine sukzessive Ausweitung des Marktraumes von der überregionalen Strategie 🡪 nationale Strategie 🡪 Multinationale Strategie 🡪 internationale Strategie 🡪 die gesamte Welt als globale Strategie
Siehe dazu die Abbildung: Arten und Ausprägungen von Marketingstrategien
Strategische Anpassungen (Evolution) (Quelle: Becker, J. 2018, S. 361)
Die Porterstrategien überschneiden sich mit den Marketingstrategien – Ebenen 2 und 3 (Marktstimulierungsstrategien und Marktsegmentierungsstrategie) von Jochen Becker. Es lohnt sich jedoch eine nähere Betrachtung der Porterstrategien, weil er hier besonders in die Tiefe seiner drei strategischen Optionen eintaucht und somit dem Leser ein sehr gutes Verständnis von den Wettbewerbsstrategien vermittelt.
Strategische Analysen und Wettbewerbsstrategien beziehen sich immer auch auf den Wettbewerb und damit u.a. auf den Konkurrenzkampf, wie beispielsweise Preiskämpfe. Daher sollte vielmehr die Innovationsstrategie beachtet werden: Eigene Aktivitäten so auswählen, um das eigene USP markant ausarbeiten zu können.
Nun wird jede einzelne oben genannte Marketingstrategie ausführlicher beschrieben.
1. Marketingstrategie – Marktfeldstrategien nach Ansoff
1.1 Marktdurchdringung bedeutet: Erhöhung des Absatzes bei bestehenden Kunden, Gewinnung von Kunden des Wettbewerbs, Gewinnung bisheriger Nicht-Konsumenten.
Maßnahmen dazu:
- Aggressive Preispolitik
- Penetrierende Werbung
- Forcierung des Verkaufs über alle möglichen Absatzkanäle
1.2 Produktentwicklung
Angebot zusätzlicher Dienstleistungen begleitend zum Produkt oder umgekehrt, echte Innovation, quasi-neue Produkte, Me-too-Produkte
Maßnahmen:
- Produkte modifizieren oder kombinieren – Produktdifferenzierung
- Produkterweiterung – Produktbreite ausfüllen
1.3 Marktentwicklung
Möglichkeiten dazu:
Erschließung neuer (lokal, regional, national, international, global) Märkte,
Erschließung neuer Zielgruppen,
Entwicklung neuer Verwendungszwecke für das bestehende Produkt
1.4 Diversifikation
Möglichkeiten:
Horizontale – beispielsweise Erwerb von Unternehmen aus der gleichen Branche (O2 übernimmt E-Plus)
Vertikale – beispielsweise Kooperation oder Erwerb von Unternehmen in der vorgelagerten oder nachgelagerten Produktionsstufe (ein Produktionsunternehmen übernimmt seinen Rohstofflieferanten; entspricht der vorgelagerten Produktionsstufe)
Laterale – Kooperation oder Erwerb von Unternehmen, die mit dem eigenem Geschäft nichts gemeinsam hab
2. Marketingstrategie – Marktstimulierungsstrategien
Eine ganz zentrale strategische Festlegung bezieht sich auf die Art und Weise, wie der Markt beeinflusst wird.
Die Präferenzstrategie von J. Becker entspricht der Differenzierungsstrategie von Porter. Die Preis-Mengen-Strategie ist jedoch nicht gleich mit dem, was Porter als Kostenführerschaft bezeichnet. Die Preis-Mengen-Strategie nach Becker geht über Kostenführerschaft hinaus: Unternehmen können mit Kostenführerschaft durchaus auch Präferenz- oder Differenzierungsstrategien wählen. Aktuell verfolgt Aldi diese Marketingstrategie: früher strebte Aldi die absolute Kostenführerschaft an, jetzt auch die Bildung von Markenpräferenzen durch Werbung und andere Marketingmaßnahmen.
Zwischen zwei strategischen Optionen kann das Unternehmen grundsätzlich wählen:
2.1 Präferenzstrategie als Markenartikelstrategie, die auf einen Qualitätswettbewerb gerichtet ist, d.h. ein Hochpreis-Konzept auf Basis von Leistungsvorteilen, bei dem das Vorhandensein bzw. die Pflege von profilierten Marken und ihre richtige Positionierung erfolgsentscheidend sind.
Marken bzw. Markenartikelkonzept als Grundlage einer Präferenzstrategie sind kennzeichnend durch:
- Herkunftsnachweis und Qualitätsgarantie
- Image und Verkehrsgeltung
- Ubiquität
Ziel der Präferenz- bzw. Markenartikel-Strategie ist es, einen nutzenspezifischen, möglichst innovativen Leistungsvorteil (statt des Preisvorteils) zu erarbeiten. Schaffung eines USP.
Typen von Präferenz- bzw. Markenartikel-Strategie:
- Einzelmarkenstrategie
- Mehrmarkenstrategie
- Familienmarkenstrategie
- Dachmarkenstrategie
Alle Elemente des Produktes werden zur Differenzierung des Produktes genutzt. Nutzenvorteile werden aufgebaut und effektiv kommuniziert.
- Aufbau einer starken Marke
- Nutzung überlegener Technologien
- Kompetenz in Design
- Kreierung von Erlebniswelten und einzigartigen Leistungen im Service
- Aufbau von qualitativen Präferenzen
2.2 Preis-Mengen-Strategie als Discountstrategie, die sich auf den Preiswettbewerb konzentriert, d.h. ein Niedrigpreis-Konzept auf Basis von Kostenvorteilen (Kostenführerschaft). Bei dieser Strategie wird weitestgehend auf die präferenzpolitischen Maßnahmen verzichtet.
Nutzung der Lernkurveneffekte zur Anbietung des günstigsten Preises auf dem Markt. Die Zielgruppe besteht meistens aus sehr preissensiblen Käufern – sogenannten Preiskäufer.
Merkmale:
- Hohe Standardisierung
- Einfache Produktionsverfahren mit automatisierter Produktion
- Gewinn über hohe Absatzmenge – Marktführerschaft
- Preiswettbewerb – Preis im Fokus
Typen von Preis-Mengen-Strategien
- Handelsmarken
- Discountermarken
- No-Names (Gatungmarken)
3. Marktsegmentierungsstrategie
Auf dieser strategischen Ebene sind die Art und der Grad der Differenzierung in der Marktbearbeitung zu bestimmen. Hiermit legt das Unternehmen zugleich die Zielgruppe(n) fest, die es bedienen will.
Die Einteilung der Marketingstrategien nach J. Becker ist komplex. An dieser Stelle soll eine vereinfachte Ausführung erfolgen, wie sie beispielsweise bei der IHK für die Marketingfachwirte verlangt wird:
- Die undifferenzierte Marktbearbeitung geht von der Annahme eines weitgehend homogenen Marktes aus und ignoriert Unterschiede zwischen den einzelnen Marktsegmenten.
- Die differenzierte Marktbearbeitung (Marktsegmentierung) betrachtet dagegen die Teilmärkte als heterogene Absatzgebiete, berücksichtigt ihre individuellen Unterschiede und geht zielgruppendifferenziert vor.
- Bei der konzentrierten Marktbearbeitung fokussiert sich ein Unternehmen nur auf eine Zielgruppe und versucht hier Markt- oder Technologieführer zu werden.
Weitere Verfeinerung der Marktbearbeitung:
- Nischenstrategie ist eine hoch konzentrierte Strategie auf bestehende oder potenzielle Marktlücken bzw. Marktnischen. Kennzeichnend für diese Strategie ist eine hohe Spezialisierung.
- Kunden-individualisierte Strategie-Konzepte werden vor allem durch das Internet effizient ermöglicht.
Die Marktsegmentierungsstrategien werden auf der Grundlage der Marktsegmentierungskriterien gebildet:
- Geographische (Wohnort, Region)
- Sozio-demographische (Alter, Geschlecht, Familienstand, Einkommen, Schulbildung, Beruf)
- Psychographische (Lebensstil, Interessen, Einstellungen)
4. Marktarealstrategien
Hier geht es um die Frage des Marktraumes. Das Unternehmen bestimmt, ob es seine Leistungen: lokal, regional, national, international oder global anbietet.
5. Marketingstrategien nach Porter
Je nach Grad der Marktabdeckung sind drei Grundsatzstrategien zu trennen:
- Kostenführerstrategie (bei totaler Marktabdeckung)
- Qualitätsführerstrategie (bei totaler Marktabdeckung)
- Nischenstrategie (Kostenführerstrategie, Präferenzstrategie bei partialer Marktabdeckung)
5.1 Strategie der Kostenführerschaft
Bei der Strategie der Kostenführerschaft werden möglichst minimale Produktions- und Distributionskosten angestrebt. Damit soll ein niedriger Preis und ein großer Marktanteil erreicht werden.
Eine Kostenminimierung kann beispielsweise folgendermaßen erreicht werden:
- Hohe Stückzahlen und eine damit verbundene Kostendegression (Erfahrungskurveneffekte, hohe Anlagennutzung)
- Schlanke Prozesse
- Standardisierte Abläufe
- Wenige Produkte/Schlankes Sortiment
5.2 Strategie der Differenzierung
Siehe unter Marktstimulierungsstrategien die Präferenz- bzw. Markenartikel-Strategie.
5.3 Strategie der Nischenbesetzung
Siehe unter der Marktsegmentierungsstrategie die Nischenstrategie.
Exkurs: Mittlere Preisstrategie
(Quelle: Becker, J. 2018, S. 369)
Es existieren noch zahlreiche weitere Marketingstrategien, bei den hier genannten handelt es sich jedoch um die bekanntesten. Viel wichtiger als diese Standardstrategien ist indes das Entwickeln der eigenen Marketingstrategie. Dazu sind aber eine vielfältige Inspiration und das fundierte Wissen um die sozialen Interaktionen als strategisches Vorgehen essentiell. Genau diese Inspiration und dieses Wissen findest du in dem Beitrag zu „soziale Interaktion“ oder vollständig in dem Ebook 500 TAKTIKEN.